Der spammende Affiliate

Ein Advertiser kann nicht ohne Weiteres als mittelbarerer Störer i.S.d. § 1004 BGB vom Empfänger auf Unterlassung von Spam-Emails in Anspruch genommen werden, die ein mit ihm über ein Affiliate-Marketing-Netzwerk verbundener Publisher unerlaubt und ohne sein Wissen versendet.

Der spammende Affiliate

Abzustellen ist hier auf den Störerbegriff des § 1004 BGB. Es handelt sich hier nicht um die Verletzung einer Marke oder eines Urheberrechts und der Emailempfänger trägt auch nicht vor, Mitbewerber des Advertisers oder ein anderer Anspruchsberechtigter des § 8 Abs.3 UWG zu sein.

Im vorliegend vom Landgericht Stuttgart entschiedenen Verfahren waren die Werbeeimals nicht vom Advertiser gesandt worden, Absender ist vielmehr ein ausländischer Emailversender. Der Advertiser ist am Affiliate-Marketing-Netzwerk Z. beteiligt, an welchem auch der Emailversender als Publisher beteiligt ist. Unmittelbarer Handlungsstörer ist damit nicht der Advertiser, sondern der Publisher.

Der Advertiser kann aber auch nicht als mittelbarer Störer i.S.d. § 1004 BGB in Anspruch genommen werden. Ein mittelbarer Störer ist derjenige, der eine Dritthandlung veranlasst oder sie ermöglicht und es unterlässt, die dadurch erkennbar eintretende unmittelbare Störung zu unterbinden. Die Tatsachenbasis für die Störereigenschaft des Advertisers ist eine anspruchsbegründende, welche grundsätzlich der Emailempfänger – also der Emailempfänger – darzulegen und zu beweisen hat.

Dem Rechtsstandpunkt, dass der Nutznießer unerlaubter Werbeemails im Rahmen einer verschuldensunabhängigen Erfolgshaftung für Verstöße des unmittelbaren Störers heranzuziehen sei, vermag das Landgericht Stuttgart ausdrücklich nicht zu folgen. Derartiges ergibt sich jedenfalls nicht aus der Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln vom 8. Oktober 2010. Dort lag ein Fall vor, in dem der unmittelbare Störer in die betriebliche Organisation des Advertisers eingegliedert war und der Beklagte einen bestimmenden, durchsetzbaren Einfluss auf diesen hatte. Derartiges trägt der Emailempfänger hier nicht vor, vielmehr führt er aus, dass zwischen des Advertisers und der lagerverkausmode.de keine vertragliche Grundlage und keine Verantwortungsbeziehung bestand, wobei er diesen Vortrag in der Berufungsverhandlung wieder relativierte. Deswegen kann sich der Emailempfänger auch nicht auf die Sondersituation berufen, welche der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 17. August 2011 zugrunde lag. Dieser Rechtsstandpunkt verkennt zunächst, dass es sich im BGH-Fall, anders als hier, um einen UWG-Streit handelte und der Bundesgerichtshof sich ausdrücklich auf die Norm des § 8 Abs.2 UWG stützt. Aber selbst dann, wenn man die Erwägungen zu § 8 Abs.2 UWG für die Störerdefinition des § 1004 BGB analog heranziehen würde, wäre die genannte BGH-Entscheidung für den hier zu entscheidenden Rechtsstreit ohne Relevanz. Dort wurde nämlich auf Basis eines gänzlich anderen Sachverhalts – betrügerisch vorgetäuschte Bestellungen durch einen Subunternehmer des Zeitschriftenwerbers – für Recht erkannt, dass derjenige, der einen finanziellen Anreiz zum Rechtsverstoß gibt, als mittelbarer Störer für den (erwartungsgemäß) erfolgten Rechtsverstoß hafte. Ein solcher Anreiz ist hier nicht ersichtlich, weswegen von der Realisierung eines Risikos aus der Sphäre des Advertisers nicht die Rede sein kann. Allein die Beteiligung des Advertisers in einem Affiliate-Marketing-Netzwerk stellt kein Risiko im Sinne dieser Rechtsprechung dar. In dem BGH-Fall war für die dortige Beklagte erkennbar, dass das Risiko einer Täuschungskonstellation nahe lag, und sie hat dieses Risiko durch ein finanzielles Anreizsystem erhöht. Der Advertiser hier betreibt dagegen auf einem regulären, seriösen und an sich risikolosen Weg Onlinewerbung. Der Emailempfänger kann schon nicht dartun, dass für den Advertiser erkennbar gewesen sei, dass sein Werbepartner gegen das ausdrückliche Verbot der Emailwerbung verstoßen würde. Und erst Recht fehlt es an jeglichem Vortrag dazu, dass der Advertiser finanzielle Anreize für den Verstoß gesetzt habe. Selbst dann, wenn der Advertiser, wie der Emailempfänger behauptet, Kenntnis davon gehabt hätte, dass der Emailversender vorwiegend Emailwerbung betreibt, würde ihn das nicht als Störer qualifizieren.

Es ist dem Emailempfänger weder gelungen darzutun und zu beweisen, dass der Advertiser den Dritten zur Versendung der Werbeemails veranlasst hat, noch darzutun und zu beweisen, dass des Advertisers vor dem Abmahnschreiben des Emailempfängers die unerlaubte Versendung der Werbeemails durch den Publisher bekannt gewesen sei.

Schon allein nach dem Vortrag des Emailempfängers kann das Landgericht im vorliegenden Fall nicht davon ausgehen, dass der Advertiser den Publisher aktiv dazu veranlasst hätte, für ihn unerlaubte Emailwerbung zu betreiben. Der Advertiser hat derartiges zudem wiederholt und substantiiert unter Beweisantritt bestritten. Der Emailempfänger hat insoweit in der ersten Instanz gar keinen Vortrag gehalten. Sein neuer Vortrag in der Berufung ist gem. §§ 529, 531 ZPO verspätet. Dies gilt auch für seinen neuen Vortrag in der Berufungsverhandlung, welcher zudem außerhalb der Berufungsbegründungsfrist gehalten wurde. Gründe für diesen späten Vortrag sind weder vorgetragen noch aus der Akte ersichtlich. Aber auch dann, wenn dieser neue Vortrag berücksichtigt werden könnte, würde er die vom Emailempfänger gewünschte Rechtsfolge nicht tragen. Seine Mutmaßungen, dass sich aus den Geschäftsbedingen der Z. ergebe, dass der Advertiser die unzulässige Emailwerbung “freigegeben” haben müsse, entbehren jeglicher tatsächlichen Substanz. Der Advertiser musste die lagervarkaufmode.de als Publisher zulassen und insofern “freigeben”. Dass sie aber gerade die unerlaubte Werbung “freigegeben” habe, ist nicht substantiiert vorgetragen und auch nicht aus den vorgelegten Unterlagen ersichtlich. Gleiches gilt für die Behauptungen des Emailempfängers, der von des Advertisers im Netzwerk eingestellte Textlink sei nicht für Bannerwerbung im Internet, sondern gerade und nur für Emailwerbung vorgesehen, und der Publisher betreibe, was der Advertiser wisse, kaum Onlinewerbung.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, welcher sich das Landgericht Stuttgart anschließt, kann als mittelbarer Störer nur in Anspruch genommen werden, wer in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung eines absoluten Rechts beiträgt und insbesondere seiner Prüfpflicht nicht nachkommt. Dass der Advertiser positive Kenntnis von den Rechtsverstößen des Publishers hatte, behauptet der Emailempfänger zwar ganz pauschal und offensichtlich ins Blaue hinein. Er kann seinen unsubstantiierten Vortrag mit nichts belegen und auch für das Landgericht ammer gibt es keinerlei Anhaltspunkte für eine Überzeugungsbildung in dem Sinne, dass der Advertiser vor dem Abmahnschreiben des Emailempfängers eine positive Kenntnis von Spam-Emails gehabt habe. Bei der Prüfpflicht besteht zwar grundsätzlich eine sekundäre Darlegungslast des Advertisers, die ggf. darlegen muss, welche Prüfungen sie durchgeführt hat. Derartiges ist naheliegend bei vertraglich vereinbarter Onlinewerbung auf Internetseiten. Der Werbekunde kann leicht diese Seiten öffnen und regelmäßig kontrollieren, ob die dort sichtbare Werbung seinem Auftrag und den gesetzlichen Vorgaben entspricht. Bei einer nicht vereinbarten Werbung im Internet besteht diese Kontrollmöglichkeit schon nur noch sehr eingeschränkt, weil der Werbende nur mit Suchprogrammen die Möglichkeit hat, solche Werbung zu finden. Ohne jeden Anhaltspunkt wird von ihm jedoch kaum zu verlangen sein, dass er regelmäßig derartige Suchen durchführt. Dem Gericht erschließt sich nicht, wie ein Werbender unerlaubte Emailwerbung kontrollieren könnte. Die Emails richten sich an Einzelpersonen und der Werbende erhält erst dann Kenntnis davon, wenn sich eine dieser Einzelpersonen an ihn wendet. Eine vorsorgende Prüfung durch den Werbenden ist in diesem Fall ersichtlich nicht möglich, auch der Emailempfänger konnte nicht erklären, wie sie hätte erfolgen können. Insofern kann sich der Emailempfänger auch nicht darauf berufen, dass der Advertiser ihrem Publisher nicht die Verwendung des Double-Opt-in-Verfahrens vorgeschrieben hat. Der Advertiser wusste nach dem der Entscheidung zugrunde zulegenden Sachverhalt nichts von einer Emailwerbung, sie hatte diese auch generell untersagt und somit eine viel weitergehende Regelung getroffen.

Dass ein Publisher ohne vertragliche Grundlage, gegen ein ausdrückliches Verbot und vor allem ohne jede Gegenleistung eine Werbung für ein Unternehmen betreibt, mag auf den ersten Blick verblüffen. Die Gründe dafür können jedoch vielfältig sein und eine Werbetätigkeit begründet deswegen nicht zwingend die Vermutung, dass sie vom Begünstigten gewollt oder zumindest geduldet ist. Das Gericht verkennt in diesem Zusammenhang nicht die Schwierigkeiten des Emailempfängers, als Außenstehender Vorgänge aus einem Marketingdreieck im Einzelnen darlegen zu können. Es bleibt ihm aber zweifellos die relativ einfache Möglichkeit, sich an den unmittelbaren Störer zu halten. Will er einen anderen als mittelbaren Störer heranziehen, muss er mehr vortragen als nur pauschale Behauptungen, weil die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf. Bei einem nicht unmittelbar störenden Werber ist es ihm zumutbar, vor Abmahnung und Klage zunächst einmal die Störung anzuzeigen und Gelegenheit zur Prüfung und ggf. Unterbindung zu geben.

Landgericht Stuttgart, Urteil vom 29. Mai 2013 – 13 S 200/12