Wenn für die Vergütung der Geschäftsführertätigkeit bei einer GmbH keine Regelung getroffen worden ist, kann diese Regelungslücke durch eine ergänzende Vertragsauslegung auf der Grundlage des hypothetischen Parteiwillens gefüllt werden. Trotz Ausscheiden kann einer ehemaligen Geschäftsführerin ein Anspruch auf eine Umsatzbeteiligung zustehen.

So hat das Oberlandesgericht Stuttgart in dem hier vorliegenden Fall einer Influencerin eine Umsatzbeteiligung zugesprochen – auch über ihr Ausscheiden als GmbH-Geschäftsführerin hinaus. Damit ist das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Stuttgart[1] bestätigt worden. Vor dem Landgericht hatte eine Influencerin geklagt, die sich seit 2013 als „Fashion-Bloggerin“ betätigt. Sie postete auf ihrem Instagram-Account Bilder von sich und mit von ihr gestalteten Bekleidungsstücken unter einem eigenen Modelabel. Durch bereits damals ca. 50.000, heute rund 900.000 Followern auf Instagram hat sie einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht. Ende 2014 vereinbarte der jetzige Geschäftsführer der beklagten GmbH – ohne schriftliche Niederlegung – mit ihr eine Zusammenarbeit dergestalt, dass sie gemeinsam mit Logos veredelte Kleidungsstücke in einem Online-Shop verkaufen wollten. Die Klägerin sollte dabei eine zehnprozentige Umsatzbeteiligung erhalten.
Über ein Paypal-Konto wurde der Zahlungsverkehr abgewickelt. Von dort floss Geld auf ein der Klägerin zugängliches Konto. Diese war ab November 2015 Geschäftsführerin der zunächst als Unternehmergesellschaft (UG) gegründeten Beklagten und bezog dafür kein Gehalt. Vielmehr sollten ihr weiterhin ein 10 % Anteil an den Umsätzen der unter der angemeldeten Marke „Blackdope“ vertriebenen Produkte zustehen. Alleingesellschafter der UG und späteren GmbH war deren heutiger Geschäftsführer. Nach einem Streit mit diesem schied die Klägerin zum 1. Juni 2016 aus der GmbH aus.
Während ihrer Zeit als Geschäftsführerin ist sie nicht über finanzielle Dinge unterrichtet worden, so die Klägerin. Deshalb macht sie einen Auskunftsanspruch sowie die Feststellung geltend, dass die beklagte GmbH abzüglich bereits bezahlter rund 21.000,00 Euro ihr 10 % des Nettoumsatzes bezahlen müsse. Dem hat das Landgericht Stuttgart[1] erstinstanzlich nur teilweise stattgegeben: Bis zu ihrem Ausscheiden stehe der Influencerin eine 10%ige Beteiligung an den mit „Blackdope-Produkten“ erzielten Nettoumsatz zu. Darüber hinaus habe sie nach ihrem Ausscheiden noch für einen 2-Jahres-Zeitraum einen auf 5 % reduzierten Anspruch. Gegen diese Entscheidung hat sich der Beklagte mit seiner Berufung gewehrt.
Mit seiner Urteilsbegründung macht das Oberlandesgericht Stuttgart deutlich, dass die Parteien zwar keine vertraglichen Regelungen für die Honorierung der Geschäftsführertätigkeit der Klägerin bei der UG bzw. GmbH getroffen hätten, doch sei diese Regelungslücke durch eine ergänzende Vertragsauslegung auf der Grundlage des hypothetischen Parteiwillens zu füllen. Die vereinbarte Umsatzbeteiligung sei zum einen für die konkrete verkaufsfördernde Aktivität der Klägerin, ihre Mithilfe bei den Entwürfen und die von ihr geposteten Fotos mit den Bekleidungsstücken, zum anderen aber auch im Hinblick auf die Übernahme der von der Klägerin verwendeten Bezeichnung „Blackdope“ sowie im Hinblick auf das verkaufsfördernde positive Image und die Bekanntheit der Klägerin gewährt worden.
Das Ausscheiden der Klägerin aus der Beklagten und der damit verbundene Wegfall ihrer Unterstützung beim Vertrieb der Ware wäre deshalb von den Parteien, hätten sie diese Frage bedacht, so berücksichtigt worden, dass sich die ihr zustehende Umsatzbeteiligung reduziert und im Hinblick auf das zunehmende „Verblassen“ der Verbindung der „Blackdope“-Produkte mit der Klägerin befristet worden wäre. Daher hält das Oberlandesgericht Stuttgart, wie das Landgericht Stuttgart, eine Reduzierung der Umsatzbeteiligung um die Hälfte sowie eine zeitliche Beschränkung auf zwei Jahre nach dem Ausscheiden der Influencerin für sachgerecht.
Außerdem ist das Oberlandesgericht Stuttgart der Auffassung, dass der Umstand, dass die Klägerin nach ihrem Ausscheiden sogar zum Boykott der Produkte aufgerufen hat, nicht zu einem Wegfall des Anspruchs auf Umsatzbeteiligung führt.
Weiterhin besteht entsprechend § 242 BGB auch ein Anspruch der geschäftlich unerfahrenen Influencerin auf Auskunftserteilung, da sie über ihren Anspruch auf Umsatzbeteiligung in Unkenntnis war und ist. Dieser Anspruch sei mit der pauschalen Mitteilung der Beklagten, im 2-Jahres-Zeitraum nach dem Ausscheiden der Klägerin habe der Bruttoumsatz mit den Produkten rund 490.000,00 Euro betragen, bis heute nicht erfüllt.
All diese Gründe haben zur Zurückweisung der Berufung des Beklagten geführt.
Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 12. März 2020 – 14 U 155/19