Das Finanzamt kann die Ansprüche aus einem Internet-Domainvertrag pfänden.

In dem jetzt vom Finanzgericht Münster entschiedenen Fall hatte die Denic geklagt, eine Genossenschaft, die als Registrierungsstelle Internet-Domains verwaltet und betreibt. Die Denic hatte mit einem Unternehmer, der Inhaber eines Onlineshops für Unterhaltungselektronik war, einen Vertrag über die Registrierung einer Internet-Domain geschlossen, in dem sie sich u.a. zur Zurverfügungstellung und Unterhaltung einer Internet-Domain verpflichtet hatte. Aufgrund rückständiger Steuern des Unternehmers pfändete das beklagte Finanzamt u.a. dessen Anspruch auf Aufrechterhaltung der Registrierung der Internet-Domain für seinen Onlineshop. Mit ihrer hiergegen gerichteten Klage begehrte die Denic die Aufhebung der Pfändung. Das Finanzgericht Münster wies die Klage ab:
Bei den Rechten des Unternehmers aus dem Domainvertrag handele es sich, so das Finanzgericht Münster, um pfändbare Vermögensrechte im Sinne der abgabenrechtlichen Pfändungsvorschriften. Gegenstand der Pfändung sei dabei nicht die Internet-Domain als solche, die nur eine technische Adresse im Internet darstelle, sondern die Gesamtheit der schuldrechtlichen Ansprüche, die dem Domaininhaber gegenüber der Vergabestelle aus dem Registrierungsvertrag zustünden. Das beklagte Finanzamt habe mit der Pfändung auch keine pfändungsfremden Ziele verfolgt, sondern sich das Zugriffsrecht auf die Ansprüche des Unternehmers aus dem Domainvertrag gesichert. Die Genossenschaft könne als Drittschuldnerin in Anspruch genommen werden, da sie Schuldnerin der Ansprüche aus dem Domainvertrag sei. Der Umstand, dass für die Genossenschaft durch eine zunehmende Zahl solcher Pfändungen zukünftig ein nicht unerheblicher Arbeits- und Verwaltungsaufwand ausgelöst werden könne, sei dabei unerheblich.
Die Pfändungsverfügung des Finanzamt vom 15.05.2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.02.2014 ist rechtmäßig und verletzt die Denic nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO. Die Pfändungsverfügung ist formell und materiell rechtmäßig und richtet sich insbesondere zu Recht an die Denic als Drittschuldnerin, § 316 AO.
Das Finanzamt hat seine Pfändungsverfügung zu Recht auf die Vorschriften der §§ 309 ff AO gestützt (Vollstreckung in Forderungen und andere Vermögensrechte). Rechtsgrundlage für die angefochtene Pfändungsverfügung ist § 321 i. V. m. §§ 309, 316 f AO, da es sich bei den Ansprüchen des Vollstreckungsschuldners aus dem Domainvertrag um andere Vermögensrechte i. S. d. § 321 Abs. 1 AO handelt.
Das Finanzgericht geht dabei zunächst im Einklang mit dem Grundsatzbeschluss des Bundesgerichtshofs vom 5. Juli 2005 davon aus, dass Gegenstand zulässiger Pfändung nach § 857 Abs. 1 ZPO, der der Regelung des § 321 AO entspricht, in eine “Internet-Domain” die Gesamtheit der schuldrechtlichen Ansprüche ist, die dem Inhaber der Domain gegenüber der Vergabestelle aus dem der Domainregistrierung zugrunde liegenden Vertragsverhältnis zustehen. Die Pfändung betrifft deshalb die Vollstreckung in Forderungen, die dem Vollstreckungsschuldner aus dem mit der Denic abgeschlossenen Domainvertrag zustehen.
Die schuldrechtlichen Ansprüche, die dem Inhaber einer Internet-Domain gegenüber der Denic oder einer anderen Vergabestelle zustehen, stellen ein Vermögensrecht i. S. v. § 857 Abs. 1 ZPO dar.
Eine Internet-Domain als solche ist kein “anderes Vermögensrecht” i. S. v. § 857 Abs. 1 ZPO. Der Domain kommt keine etwa mit einem Patent, Marken- oder Urheberrecht vergleichbare ausschließliche Stellung zu. Diese Rechte zeichnen sich dadurch aus, dass sie ihrem Inhaber einen Absolutheitsanspruch gewähren, der vom Gesetzgeber begründet worden ist und nicht durch Parteivereinbarung geschaffen werden kann. Eine Internet-Domain ist lediglich eine technische Adresse im Internet. Die ausschließliche Stellung, die darauf beruht, dass von der Denic eine Internet-Domain nur einmal vergeben wird, ist allein technisch bedingt. Eine derartige, rein faktische Ausschließlichkeit begründet kein absolutes Recht i. S. v. § 857 Abs. 1 ZPO.
Die Inhaberschaft an einer “Internet-Domain” gründet sich deshalb auf die Gesamtheit der schuldrechtlichen Ansprüche, die dem Inhaber der Domain gegenüber der Vergabestelle aus dem Registrierungsvertrag zustehen. Diese Ansprüche – und nicht die “Internet-Domain” selbst – sind Gegenstand der Pfändung nach § 857 Abs. 1 ZPO.
Mit Abschluss des Vertrages über die Registrierung einer Internet-Domain erhält der Anmelder der Domain einen Anspruch auf Registrierung nach Maßgabe der Denic-Registrierungsbedingungen und ‑richtlinien. Dieser Anspruch ist gerichtet auf Eintragung der Domain in das Denic-Register und den Primary Nameserver. Mit der Eintragung erlischt zwar dieser Anspruch nach § 362 Abs. 1 BGB. Aus § 7 Abs. 1 der Regis-trierungsbedingungen der Denic ergibt sich aber, dass der Vertrag auf Dauer geschlossen ist. Aus diesem Dauerschuldverhältnis schuldet die Denic dem Anmelder nach der erfolgten Konnektierung insbesondere die Aufrechterhaltung der Eintragung im Primary Nameserver als Voraussetzung für den Fortbestand der Konnektierung. Daneben bestehen weitere Ansprüche des Domaininhabers wie die auf Anpassung des Registers an seine veränderten persönlichen Daten oder ihre Zuordnung zu einem anderen Rechner durch Änderung der IP-Nummer. Das Finanzgericht Münster folgt dieser Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Pfändbarkeit der Ansprüche aus dem der Domainregistrierung zugrunde liegenden Vertragsverhältnis. Hieraus ergibt sich zugleich (dazu im Einzelnen später), dass die Denic als Drittschuldnerin im Sinne des Vollstreckungsrechts mit entsprechender Erklärungspflicht (§ 316 AO) anzusehen ist.
Durch die streitige Pfändungsverfügung des Finanzamt vom 15.05.2013 wird in Anwendung der vorstehend dargestellten Rechtsprechung des BGH gepfändet: “Der Anspruch auf Aufrechterhaltung der Registrierung ´P.de‚ als Hauptanspruch aus dem mit der Denic eG geschlossenen Registrierungsvertrag und alle weiteren sich aus dem Vertragsverhältnis ergebenden Nebenansprüche.” Diese Verfügung entspricht exakt den Vorgaben des Bundesgerichtshofs in seiner oben angeführten Grundsatzentscheidung vom 05.07.2005.
Das von der Denic im Hinblick auf eine angeblich fehlende hinreichende Bestimmtheit monierte Leistungsverbot lautet wie folgt: “Sie dürfen, soweit die Ansprüche, Forderungen und Rechte gepfändet sind, nicht mehr an den Vollstreckungsschuldner leisten. Der Vollstreckungsschuldner hat sich jeder Verfügung über die Ansprüche, Forderungen und Rechte, soweit sie gepfändet sind, insbesondere ihrer Einziehung zu enthalten.” In der Einspruchsentscheidung vom 18.02.2014 hat das Finanzamt die Bedeutung des Arrestatoriums dahingehend näher erläutert, dass das Verbot nicht bedeute, dass eine Dekonnektierung zu erfolgen hätte. Der Drittschuldner solle nur die Leistung nicht mehr an den Vollstreckungsschuldner erbringen. Seinen Verfügungen – wie Änderungen der Kontaktdaten, etc. – dürfe seitens der Denic nicht mehr entsprochen werden. Auf diese Weise behalte die Internet-Domain den Zustand, den sie im Zeitpunkt der Pfändung hatte. Das Arrestatorium solle eine Übertragung der Domain, und damit letztendlich eine Veränderung, Verringerung oder ein Erlöschen der Ansprüche des Schuldners verhindern.
Entgegen der Ansicht der Denic ist damit der Inhalt des Leistungsverbotes vom Finanzamt hinreichend bestimmt erläutert worden, nämlich dahingehend, dass die Denic nicht mehr berechtigt ist, an den Vollstreckungsschuldner zu leisten und insbesondere seinen Verfügungen, die zu einer Veränderung oder ggf. zum Erlöschen der Domain führen würden, keine Folge leisten darf. Dem Finanzamt geht es mit dem Arrestatorium um die Aufrechterhaltung des Status quo, der eine spätere Verwertung der gepfändeten Rechte ermöglichen soll. Für das Finanzgericht begegnet dies im Hinblick auf die Notwendigkeit der hinreichenden Bestimmtheit des Leistungsverbotes keinen Bedenken.
Nicht zu überzeugen vermag das Finanzgericht auch der Vortrag der Denic, wonach das Finanzamt sich rechtsmissbräuchlich verhalte, indem er pfändungsfremde Ziele und insbesondere kein fiskalisches Vollstreckungsinteresse verfolge. Die Pfändungsverfügung des Finanzamt pfändet im Einklang mit der höchstrichterlichen zivilrechtlichen Rechtsprechung des BGH den Anspruch auf Aufrechterhaltung einer konkreten Registrierung als Hauptanspruch des Vollstreckungsschuldners aus dem mit der Denic geschlossenen Registrierungsvertrag und alle weiteren sich aus dem Vertragsverhältnis ergebenden Nebenansprüche. Hierin liegt weder ein unzulässiges “Einfrieren” des Vertrages noch eine unzulässige Leistungsforderung an den Vollstreckungsgläubiger noch eine Vernichtung des wirtschaftlichen Wertes der Domain durch das Leistungsverbot. Das Finanzamt hat sich durch die angefochtene Pfändungsverfügung vom 15.05.2013 nicht mehr und nicht weniger als das Zugriffsrecht auf die Ansprüche des Vollstreckungsschuldners aus dem Domainvertrag mit der Denic gesichert. Das Finanzamt hat ferner vorgetragen, dass über die Art und Weise der Verwertung dieser Ansprüche zu einem späteren Zeitpunkt entschieden werde und es ihm beim Erlass der Pfändungsverfügung um die Befriedigung der (gegen den Vollstreckungsschuldner gerichteten) Geldforderungen gehe. Objektive Anhaltspunkte dafür, dass das Finanzamt vollstreckungsfremde Ziele verfolgt und es ihm (so die Ansicht der Denic) darum geht, dem Schuldner Unbequemlichkeiten (wie hier in Gestalt der Unterbindung der Domainnutzung) zuzufügen, um ihn auf diese Weise zur Zahlung zu bewegen, bestehen nicht.
Das Finanzamt hat auch zu Recht die Eigenschaft der Denic als Drittschuldnerin bejaht. Der Begriff des Drittschuldners ist weit zu fassen. Drittschuldner ist derjenige, der dem Schuldner die Forderung (den Anspruch, das Recht) zu leisten hat, die im Wege der Zwangsvollstreckung der Befriedigung oder Sicherung des Gläubigers zugeführt werden soll. Drittschuldner ist jeder Dritte, dessen Leistung zur Ausübung einer gepfändeten Forderung (oder eines gepfändeten Rechts) erforderlich ist oder dessen Rechtsstellung von der Pfändung sonstwie berührt wird. Daher ist jede Person Drittschuldner, die an einem zu pfändenden Recht außer dem Schuldner – irgendwie – beteiligt ist. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Grundsatzentscheidung vom 05.07.2005 klargestellt, dass bei der Domainpfändung die schuldrechtlichen Ansprüche des Domaininhabers gegenüber der Denic gepfändet werden. Die Denic ist nach der Rechtsprechung des BGH Schuldnerin der gepfändeten Ansprüche, mithin also Drittschuldnerin. Dies deckt sich auch mit dem vorherrschenden weiten Drittschuldnerbegriff, der jeden umfasst, dessen Rechtsstellung von der Pfändung berührt wird. Da die Pfändung unmittelbar in das Vertragsverhältnis zwischen dem Schuldner und der Denic eingreift, ist die Denic von der Pfändung betroffen und mithin als Drittschuldnerin anzusehen ((vgl. Stadler, Drittschuldnereigenschaft der Denic bei der Domainpfändung, MMR 2007, 71. Der Umstand, dass durch eine zunehmende Zahl solcher Pfändungen zukünftig für die Denic ein nicht unerheblicher Arbeits- und Verwaltungsaufwand ausgelöst werden könnte, was offenbar auch von der Denic befürchtet wird, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Bei den den Drittschuldner treffenden Pflichten, wie etwa der Erklärungspflicht gem. § 316 AO, handelt es sich um gesetzliche Pflichten, die jeden Drittschuldner (beispielsweise auch Banken) treffen. Der damit verbundene Verwaltungsaufwand ist im Interesse einer effektiven Zwangsvollstreckung hinzunehmen, denn der Gläubiger ist im Rahmen der Verfolgung seiner Ansprüche gegen den Schuldner auf die Auskünfte des Drittschuldners angewiesen.
Entgegen der Ansicht der Denic bestehen im Hinblick auf die angefochtene Pfändungsverfügung des Finanzamt auch keine Bedenken bezüglich etwaiger Ermessensfehler. Wie bereits oben ausgeführt, kann nicht davon ausgegangen werden, dass das Finanzamt eine Verwertung der gepfändeten Ansprüche in Wirklichkeit gar nicht beabsichtigt und sachfremde, nicht vollstreckungsgemäße Ziele verfolgt. Der diesbezügliche Vortrag der Denic ist rein spekulativ und nicht durch Tatsachen gestützt. Das Finanzamt hat ausdrücklich vorgetragen, dass über die Art und Weise der Verwertung zu einem späteren Zeitpunkt zu entscheiden sein werde. Dies beinhaltet zunächst einmal die Aussage, dass eine Verwertung beabsichtigt ist. Da die Denic bereits die Rechtmäßigkeit der Pfändung (vehement) bestreitet, ist es von Rechts wegen nicht zu beanstanden, wenn das Finanzamt zunächst die gerichtliche Klärung dieser Frage abwartet und erst danach sein Vorgehen im Hinblick auf die bestmögliche Verwertung der gepfändeten Ansprüche, etwa durch die Übertragung der nicht mit einem Dispute-Eintrag versehenen Domain auf einen Dritten (§§ 2 Abs. 3, 6 Abs. 1 der F‑Domainbedingungen) festlegt. Dieses nachvollziehbare und rechtlich zulässige Vorgehen (die Verwertung kann nach einer wirksamen Pfändung jederzeit nachgeholt werden) rechtfertigt nicht den Schluss auf eine fehlende Verwertungsabsicht des Finanzamt.
Ein Ermessensfehler des Finanzamt folgt auch nicht etwa mittelbar daraus, dass er sich in seiner Argumentation am Anfang seiner Klageerwiderung vom 30.10.2014 auf eine Pfändungsverfügung vom 07.12.2013 bezieht, die nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist. Gegenstand der Einspruchsentscheidung des Finanzamt vom 18.02.2014 ist die hier streitige Pfändungsverfügung vom 15.05.2013, ausschließlich zu deren Recht- und Zweckmäßigkeit verhalten sich die Ausführungen des Finanzamt in seiner Einspruchsentscheidung. Der Umstand, dass sich das Finanzamt zu Beginn seiner Klageerwiderung versehentlich mit der Frage der Nichtigkeit einer in einem Parallelverfahren angefochtenen Pfändungsverfügung befasst, ist unschädlich, zumal im weiteren Text der Klageerwiderung zutreffend nur noch die hier streitige Pfändungsverfügung vom 15.05.2013 behandelt wird.
Die Pfändungsverfügung des Finanzamt ist nach alledem rechtmäßig.
Finanzgericht Münster, Urteil vom 16.09.2015 – 7 K 781/14 AO