Datenschutz – und die Unterlassungsklage des Konkurrenten

Der Bundesgerichtshof hat dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung der Fragen angerufen, ob ein Apotheker, der auf Amazon Arzneimittel vertreibt, gegen die für Gesundheitsdaten geltenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen verstößt, und ob ein solcher Verstoß von einem anderen Apotheker mit einer wettbewerbsrechtlichen Klage vor den Zivilgerichten verfolgt werden kann.

Datenschutz – und die Unterlassungsklage des Konkurrenten

Dem zugrunde liegen zwei beim Bundesgerichtshof anhängige Unterlassungsklagen von Apothekern:

  • Im ersten Fall[1] vertreibt der beklagte Apotheker seine Produkte über die Plattform des Anbieters Amazon. Der klagende Apotheker rügt, der Vertrieb apothekenpflichtiger Arzneimittel über die Plattform verstoße einerseits gegen Vorschriften des Arzneimittelgesetzes (AMG), des Heilmittelwerbegesetzes (HWG), der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) und der Berufsordnung für Apotheker sowie andererseits gegen datenschutzrechtliche Regelungen. 

    Das erstinstanzlich hiermit befasste Landgericht Magdeburg hat die Klage abgewiesen[2]. Verstöße gegen Vorschriften des Arzneimittelgesetzes, des Heilmittelwerbegesetzes, der Apothekenbetriebsordnung und der Berufsordnung für Apotheker lägen nicht vor. Im Hinblick auf Verstöße gegen datenschutzrechtliche Regelungen der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutzgrundverordnung – DSGVO) sei der klagende Apotheker nicht klagebefugt. Die Datenschutzgrundverordnung enthalte ein abschließendes Sanktionssystem, das den Wettbewerber nicht einschließe. 

    Das Oberlandesgericht Naumburg hat auf die Berufung des Klägers das Urteil des Landgerichts abgeändert und der Klage teilweise stattgegeben[3]. Es hat angenommen, die Regelungen der Datenschutzgrundverordnung seien in der konkreten Fallkonstellation als Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3a UWG anzusehen. Der beklagte Apotheker verarbeite im Rahmen der Bestellungen Gesundheitsdaten seiner Kunden im Sinne von Art. 9 Abs. 1 DSGVO. Hierfür fehle die im Streitfall erforderliche Einwilligung. Ein Verstoß gegen die weiteren vom Kläger angeführten Vorschriften scheide jedoch aus. Das Oberlandesgericht hat die Revision zugelassen. Beide Parteien haben Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts eingelegt.

  • Im zweiten Verfahren[4] vertreibt der beklagte Apotheker seine Produkte ebenfalls über die Plattform des Anbieters Amazon. Der klagende Apotheker rügt, dass der Beklagte für die Erhebung und Verarbeitung personenbezogenen Daten im Rahmen des Bestellprozesses keine Einwilligung eingeholt hat. Der Beklagte ist der Auffassung, der Kläger sei nicht klagebefugt. Es liege auch keine Verarbeitung von Gesundheitsdaten vor. Zudem sei die Datenverarbeitung rechtmäßig.

    Das erstinstanzlich hiermit befasste Landgericht Dessau-Roßlau hat der Klage stattgegeben[5]. Es hat das Datenschutzrecht als Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG angesehen, weil es auch dem Schutz der Interessen der Mitbewerber diene. Die Veräußerung apothekenpflichtiger Produkte über die Plattform Amazon Marketplace verletze datenschutzrechtliche und berufsrechtliche Vorschriften.

    Das Oberlandesgericht Naumburg hat die Berufung des beklagten Apothekers zurückgewiesen[6]. Es hat angenommen, die Regelungen der Datenschutzgrundverordnung seien in der konkreten Fallkonstellation als Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3a UWG anzusehen. Der Beklagte verarbeite im Rahmen der Bestellungen Gesundheitsdaten seiner Kunden im Sinne von Art. 9 Abs. 1 DSGVO. Hierfür fehle die im Streitfall erforderliche Einwilligung. Der beklagte Apotheker hat die vom Oberlandesgericht Naumburg zugelassene Revision eingelegt.

Der Bundesgerichtshof hat zunächst beide Verfahren bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über sein Vorabentscheidungsersuchen vom 28. Mai 2020 (BGH, Beschluss vom 28.05.2020 – I ZR 186/17, GRUR 2020, 896 = WRP 2020, 1182 – App-Zentrum) ausgesetzt. Mit diesem Ersuchen hatte der BGH dem EuGH die Frage vorgelegt, ob die in Kapitel VIII und insbesondere in Art. 80 Abs. 1 und 2 sowie Art. 84 Abs. 1 DSGVO getroffenen Bestimmungen nationalen Regelungen entgegenstehen, die einerseits Mitbewerbern und andererseits nach dem nationalen Recht berechtigten Verbänden, Einrichtungen und Kammern die Befugnis einräumen, wegen Verstößen gegen die Datenschutzgrundverordnung unabhängig von der Verletzung konkreter Rechte einzelner betroffener Personen und ohne Auftrag einer betroffenen Person gegen den Verletzer im Wege einer Klage vor den Zivilgerichten vorzugehen. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat unter Hinweis darauf, dass das Ausgangsverfahren nicht die Frage der Klagebefugnis eines Mitbewerbers aufwerfe, nur den Teil der ihm vom Bundesgerichtshof vorgelegten Frage beantwortet, der sich auf die Klagebefugnis der nach dem nationalen Recht berechtigten Verbände, Einrichtungen und Kammern im Sinne von Art. 80 Abs. 2 DSGVO bezieht[7].

Der Bundesgerichtshof hat nunmehr das zweite Verfahren[4] ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob die Regelungen in Kapitel VIII der Datenschutz-Grundverordnung nationalen Regelungen entgegenstehen, die – neben den Eingriffsbefugnissen der zur Überwachung und Durchsetzung der Verordnung zuständigen Aufsichtsbehörden und den Rechtsschutzmöglichkeiten der betroffenen Personen – Mitbewerbern die Befugnis einräumen, wegen Verstößen gegen die Datenschutz-Grundverordnung gegen den Verletzer im Wege einer Klage vor den Zivilgerichten unter dem Gesichtspunkt des Verbots der Vornahme unlauterer Geschäftspraktiken vorzugehen. Außerdem hat der Bundesgerichtshof den Gerichtshof der Europäischen Union gefragt, ob die Daten, die Kunden eines Apothekers, der auf einer Internet-Verkaufsplattform als Verkäufer auftritt, bei der Bestellung von zwar apothekenpflichtigen, nicht aber verschreibungspflichtigen Medikamenten auf der Verkaufsplattform eingeben (Name des Kunden, Lieferadresse und die für die Individualisierung des bestellten apothekenpflichtigen Medikaments notwendigen Informationen), Gesundheitsdaten im Sinne von Art. 9 Abs. 1 DSGVO sowie Daten über Gesundheit im Sinne von Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Richtlinie, DSRL) sind. Das erste Verfahren[1] hat der Bundesgerichtshof bis zur Entscheidung über dieses Vorabentscheidungsersuchen ebenfalls ausgesetzt.

Bundesgerichtshof, Beschlüsse vom 12. Januar 2023 – I ZR 222/19 und I ZR 223/19

  1. BGH – I ZR 222/19[][]
  2. LG Magdeburg, Urteilvom 18.01.2019 – 36 O 48/18[]
  3. OLG Naumburg, Urteil vom 07.11.2019 – 9 U 6/19[]
  4. BGH – I ZR 223/19[][]
  5. LG Dessau-Roßlau, Urteil vom 27.03.2018 – 3 O 29/17[]
  6. OLG Naumburg, Urteil vom 07.11.2019 – 9 U 39/18[]
  7. EuGH, Urteil vom 28. April 2020 – C-319/20 – Meta Platforms Ireland[]