Kongressveranstaltungen eines Vereins zur Förderung der Open-Source-Software können Zweckbetriebe i.S. von § 68 Nr. 8 AO sein, wenn dabei Vorträge, Kurse und andere Veranstaltungen wissenschaftlicher und belehrender Art durchgeführt werden.

Nach § 68 Nr. 8 AO, die im Verhältnis zu der allgemeinen Regelung in § 65 AO als spezielle Norm vorrangig ist[1], sind Volkshochschulen und andere Einrichtungen auch Zweckbetriebe, soweit sie selbst Vorträge, Kurse und andere Veranstaltungen wissenschaftlicher oder belehrender Art durchführen; dies gilt auch, soweit die Einrichtungen den Teilnehmern dieser Veranstaltungen selbst Beherbergung und Beköstigung gewähren.
Ausweislich der Gesetzesbegründung hat die Bestimmung im Verhältnis zu § 65 AO lediglich klarstellenden Charakter, soweit es um die Rechtsfrage geht, ob von einer entsprechenden Einrichtung Veranstaltungen wissenschaftlicher oder belehrender Art durchgeführt werden[2].
Im Streitfall liegen die Voraussetzungen von § 68 Nr. 8 AO vor.
Bei dem Verein handelt es sich zwar nicht um eine Volkshochschule oder um eine allgemein anerkannte Einrichtung der Erwachsenenbildung[3], wohl aber um eine andere steuerbegünstigte Einrichtung i.S. von § 68 Nr. 8 AO[4]. Die Satzungszwecke des Vereins umfassen nach § 52 Abs. 2 Nr. 7 AO die Förderung der Erziehung, Volks– und Berufsbildung einschließlich der Studentenhilfe.
Ausgehend von den tatsächlichen Feststellungen des Finanzgericht, die nach § 118 Abs. 2 FGO den Bundesfinanzhof binden, steht im Übrigen fest, dass der Verein mit seinen Kongressen Veranstaltungen belehrender Art i.S. von § 68 Nr. 8 AO durchgeführt hat, an die im Übrigen keine besonderen inhaltlichen Anforderungen zu stellen sind[5]. Somit genügt es, dass bei den streitbefangenen Veranstaltungen überwiegend Vorträge gehalten werden, die naturgemäß belehrenden Charakter haben. Die Durchführung der Kongresse steht auch im Einklang mit den in § 2 der Satzung des Vereins ausdrücklich genannten Maßnahmen zur Verwirklichung der Satzungszwecke, wonach u.a. die „Fortbildung von Mitgliedern und interessierten Nichtmitgliedern“ im Mittelpunkt steht.
Entgegen der Auffassung des Finanzamt ergibt sich Gegenteiliges nicht aus der -einschränkenden- Rechtsprechung des BFH zum originären Steuerbefreiungstatbestand in § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG, dem die Regelung in § 68 Nr. 8 AO nachgebildet ist. Zwar hat der BFH entschieden, dass bei der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung des § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG nicht alle Kurse zur Erlernung von Fähigkeiten oder Fertigkeiten „wissenschaftlicher oder belehrender Art“ in den Anwendungsbereich dieses Steuerbefreiungstatbestandes fallen, sondern nur solche Kurse, die als Erziehung von Kindern und Jugendlichen, als Schul– oder Hochschulunterricht, als Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulung zu qualifizieren sind[6]. Unabhängig davon, ob der Verein mit den streitbefangenen Veranstaltungen möglicherweise auch diese Voraussetzungen erfüllt, sind diese einschränkenden Rechtsgrundsätze nicht auf § 68 Nr. 8 AO zu übertragen, weil beide Bestimmungen nicht deckungsgleich und deshalb jeweils für sich zu betrachten sind[7].
Umsatzsteuerlich können zudem bezüglich der streitbefangenen Veranstaltungen auch die Voraussetzungen der begehrten Steuersatzermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG erfüllt sein.
Nach dieser Bestimmung ist auf die Leistungen der Körperschaften, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen (§§ 51 bis 68 AO), der ermäßigte Steuersatz anzuwenden. Das gilt nicht für Leistungen, die im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ausgeführt werden. Für Leistungen, die im Rahmen eines Zweckbetriebs ausgeführt werden, gilt die Steuerermäßigung nur, wenn der Zweckbetrieb nicht in erster Linie der Erzielung zusätzlicher Einnahmen durch die Ausführung von Umsätzen dient, die in unmittelbarem Wettbewerb mit dem allgemeinen Steuersatz unterliegenden Leistungen anderer Unternehmer ausgeführt werden, oder wenn die Körperschaft mit diesen Leistungen ihrer in den §§ 66 bis 68 AO bezeichneten Zweckbetrieb ihre steuerbegünstigten satzungsgemäßen Zwecke selbst verwirklicht.
Entscheidend ist insoweit, ob der Verein mit den Leistungen seines Zweckbetriebs in Wettbewerb zu anderen Unternehmern tritt, die vergleichbare Leistungen ohne Anspruch auf Ermäßigung am Markt anbieten. Welcher Art die Vorleistungen sind, die der Zweckbetrieb zur Erbringung seiner eigenen Leistung beansprucht, ist insoweit nicht von Bedeutung[8]. Für diese weite Auslegung des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG spricht dabei, dass der ermäßigte Steuersatz nur insoweit anzuwenden ist, als er zu keiner oder einer nur geringen Gefahr einer Wettbewerbsverzerrung führt[9]. Insoweit muss auch berücksichtigt werden, dass die Regelung in § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG entsprechend den unionsrechtlichen Vorgaben eng auszulegen ist[10].
Bundesfinanzhof, Urteil vom 21. Juni 2017 – V R 34/16
- vgl. z.B. BFH, Urteil vom 24.09.2014 – V R 11/14, BFH/NV 2015, 388, Zeitschrift für das gesamte Mehrwertsteuerrecht 2015, 418, Rz 37, m.w.N.[↩]
- BT-Drs. 8/2827, S. 79[↩]
- vgl. z.B. Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 68 AO Rz 36, m.w.N., und Klein/Gersch, AO, 13. Aufl., § 68 Rz 15, m.w.N.[↩]
- vgl. dazu z.B. Uterhark in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 68 AO Rz 11[↩]
- vgl. z.B. Unger in Beermann/Gosch, AO § 68 Rz 27, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil vom 27.04.2006 – V R 53/04, BFHE 213, 256, BStBl II 2007, 16, Rz 24, m.w.N.[↩]
- vgl. z.B. Musil, a.a.O., § 68 Rz 35, m.w.N., und Klein/Gersch, a.a.O., § 68 Rz 15 unter Bezugnahme auf BFH, Urteil vom 08.03.2012 – V R 14/11, BFHE 237, 279, BStBl II 2012, 630[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 237, 279, BStBl II 2012, 630, Rz 31[↩]
- EuGH, Urteil Kommission/Königreich Niederlande vom 03.03.2011 – C-41/09, EU:C:2011:108, Rz 52[↩]
- BFH, Urteil vom 24.09.2014 – V R 11/14, BFH/NV 2015, 528, Rz 44 ff.[↩]