§ 3 Abs. 5 Nr. 3 TMG stellt eine verbraucherschützende Ausnahmeregelung im Sinne des Art. 3 Abs. 4 ECRL dar. Sachrechtlicher Prüfungsmaßstab für eine Widerrufsbelehrung eines niederländischen Unternehmens auf “ebay.de” ist daher allein deutsches Wettbewerbsrecht.

Gemäß Art. 6 Abs. 1 und 31 Rom-II-VO ist auf außervertragliche Schuldverhältnisse aus unlauterem Wettbewerbsverhalten seit 11.01.2009 das Recht des Staates anzuwenden, in dessen Gebiet die Wettbewerbsbeziehungen oder die kollektiven Interessen der Verbraucher beeinträchtigt worden sind oder wahrscheinlich beeinträchtigt werden (Marktortprinzip). Anwendbar ist damit das Recht des Marktes, um dessen Marktanteile gekämpft wird und auf dem der Verbraucher zum Zweck des Produktabsatzes umworben wird. Nach dem Marktortprinzip setzt die Anwendung deutschen Wettbewerbsrechts voraus, dass die wettbewerblichen Interessen der Mitbewerber im Inland aufeinandertreffen. Dies gilt grundsätzlich auch bei Wettbewerbsverletzungen durch das Internet, da Werbemaßnahmen im Internet im Zweifel weltweit ausgerichtet sind, soweit sie ihrem Inhalt nach nicht eindeutig auf bestimmte Märkte begrenzt werden. Nach deutschem Wettbewerbsrecht ist der InternetAuftritt des Beklagten daher zu beurteilen, wenn sich dieser bestimmungsgemäß auch im Inland ausgewirkt hat.
Hiervon ist im Streitfall auszugehen; insoweit gelten die vorstehenden Ausführungen zur Begründung der internationalen Zuständigkeit entsprechend. Der InternetAuftritt des Beklagten auf ebay.de war unmittelbar auf den deutschen Verbrauchermarkt ausgerichtet und hat sich dort auch tatsächlich ausgewirkt.
Dieser kollisionsrechtlichen Einordnung steht Art. 3 Abs. 2 der E‑Commerce-Richtlinie (ECRL) i.V.m. § 3 Abs. 2 TMG nicht entgegen. Die zuvor streitige Frage, ob Art. 3 Abs. 2 ECRL, der für elektronische Medien das Herkunftslandprinzip vorsieht, eine kollisionsrechtliche Vorschrift darstellt, hat der Gerichtshof der Europäischen Union auf das Vorabentscheidungsersuchen des Bundesgerichtshofs nunmehr in Übereinstimmung mit Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie in dem Sinne entschieden, dass dies nicht der Fall ist. Damit ist gemäß Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO dem Grundsatz nach deutsches Wettbewerbsrecht anwendbar.
Unerheblich ist demgegenüber, dass der Beklagte sein eBay-Account auf der Webseite von eBay-Niederlande angemeldet und der Geltung der dortigen AGB zugestimmt hat. Ohne Zweifel ist daher zwar auf das Vertragsverhältnis zwischen dem Beklagten und eBay-Niederlande niederländisches Recht anzuwenden. Dies gilt jedoch weder für sein wettbewerbsrechtliches Verhältnis zu Wettbewerbern in Deutschland, noch für Vertragsverhältnisse mit Verbrauchern in Deutschland.
Auch sachrechtlich ist alleiniger Prüfungsmaßstab das deutsche Wettbewerbsrecht.
Zwar müssen nach der genannten Entscheidung des EuGH die Mitgliedstaaten im koordinierten Bereich der Richtlinie vorbehaltlich der dort geregelten Ausnahmen sicherstellen, dass der Anbieter eines Dienstes des elektronischen Geschäftsverkehrs keinen strengeren Anforderungen unterliegt, als sie das im Sitzmitgliedstaat des Anbieters geltende Sachrecht vorsieht. Auf diese Weise erlangt das Herkunftslandprinzip der ECRL für Vertriebsformen im Internet einen grundsätzlichen europarechtlichen Anwendungsvorrang.
Gemäß Art. 3 Abs. 4 a) ECRL können die Mitgliedstaaten jedoch vom Herkunftslandprinzip abweichende Maßnahmen ergreifen, wenn diese zum Schutz der Verbraucher erforderlich sind. Diese Regelung der Richtlinie ist in Deutschland durch § 3 Abs. 5 TMG umgesetzt worden. Nr. 3 dieser Vorschrift sieht vor, dass eine ausländische Telemediendienstleistung abweichend vom sonst geltenden Herkunftslandprinzip den Einschränkungen des innerstaatlichen Rechts unterliegt, soweit dieses dem Schutz der Interessen der Verbraucher vor Beeinträchtigungen dient und die auf der Grundlage des innerstaatlichen Rechts in Betracht kommenden Maßnahmen in einem angemessenen Verhältnis zu diesen Schutzzielen stehen.
Dies ist vorliegend der Fall. Das Herkunftslandprinzip gilt wegen § 3 Abs. 5 TMG nicht.
Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb dient dem Schutz insbesondere auch der Verbraucherinnen und Verbraucher, § 1 UWG.
Die Aufnahme des Verbraucherschutzes in den heutigen Schutzzwecktrias des UWG, das ursprünglich als reiner Mitbewerberschutz konzipiert war, erfolgte unter dem Einfluss der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken. Diesem Verbraucherschutz weist das europäische Recht einen gleich hohen Rang zu wie dem reibungslosen Funktionieren des Binnenmarktes. Nach Erwägungsgrund 10 der ECRL sieht die Richtlinie nur die Maßnahmen vor, die unerlässlich sind, ohne das hohe Schutzniveau des Verbraucherschutzes zu gefährden. Erwägungsgrund 41 strebt ein Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Interessen an. Nach Art. 55 Satz 2 derselben Richtlinie kann diese nicht dazu führen, dass dem Verbraucher der Schutz entzogen wird, der ihm von zwingenden Vorschriften für vertragliche Verpflichtungen nach dem Recht des Mitgliedstaates, in dem er seinen gewöhnlichen Wohnsitz hat, gewährt wird. Erwägungsgrund 56 betont, dass die vertraglichen Schuldverhältnisse mit Verbrauchern auch Informationen zu den wesentlichen Elementen des Vertrags erfassen, wozu auch die Verbraucherrechte gehören, die einen bestimmenden Einfluss auf den Vertragsschluss haben. In der Richtlinie selbst bestimmt Art. 1 Abs. 3 ausdrücklich, dass sie das Schutzniveau für den Verbraucherschutz, wie er sich aus den Gemeinschaftsakten und einzelstaatlichen Rechtsakten zu deren Umsetzung ergibt, unberührt lässt. Die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, die unlautere, insbesondere irreführende Geschäftspraktiken vereinheitlichend in Europa verbietet, ist maßgeblich auf Verbraucherschutz gestützt. Auch in der Fernabsatzrichtlinie spielt der Verbraucherschutz eine maßgebliche Rolle.
Zu diesem Verbraucherschutz gehört, dass auf zwischen Unternehmen und Verbrauchern zu schließende Verträge zwingend das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltsorts des Verbrauchers anwendbar ist. Gemäß Art. 6 Abs. 1 der seit 17.12.2009 anwendbaren Rom-I-VO unterliegen Verträge eines Unternehmers mit einem Verbraucher zwingend dem Recht des Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Auf Verträge, die der Beklagte mit Verbrauchern in Deutschland schließt, ist daher zwingend deutsches Recht anzuwenden.
Zu diesem zwingenden Recht gehört auch das Widerrufsrecht des Verbrauchers mit allen damit verbundenen Informations- und Folgepflichten. Auch wenn sich die zwingenden Verbraucherrechte zu einem erheblichen Teil aus der genannten Fernabsatzrichtlinie ergeben – und daher insoweit entgegen der Auffassung des Klägers auch in den Niederlanden nicht abdingbar sind , so ist doch die konkrete Ausgestaltung dieser Rechte im Rahmen der Spielräume der Richtlinie durch deutsches Recht in den maßgeblichen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs erfolgt, insbesondere in den §§ 355 ff. BGB. Der Verbraucherschutz kann daher nur dann hinreichend gewährleistet sein, wenn die Informationen, mit denen geworben wird, zutreffend die Rechtslage des abzuschließenden Vertrages wiederspiegeln. Ist dies nicht der Fall, werden die dem Schutz von Verbrauchern in Deutschland dienenden Vorschriften des deutschen Wettbewerbsrechts notwendig beeinträchtigt, § 3 Abs. 5 Nr. 3 TMG.
Dass diese Rechtslage für Unternehmen in Europa, die ihre Waren in andere europäische Staaten absetzen wollen, wegen der unterschiedlichen Rechtsordnungen mit Schwierigkeiten verbunden ist, hat die Europäische Kommission erkannt. Um dem abzuhelfen, hat sie einen Vorschlag für eine Verordnung über ein gemeinsames Europäisches Kaufrecht vom 11.10.2011 vorgelegt, der in Art. 40 ff. u.a. eine vollständige Harmonisierung des Widerrufsrechts im Fernabsatz vorsieht.
Es kann danach dahin gestellt bleiben, ob auch deshalb eine Ausnahme vom Herkunftslandprinzip gilt, weil der Beklagte mit seiner Werbung auf ebay.de maßgeblich nur den deutschen Markt angesprochen hat. Ebay.de ist eine deutsche Handelsplattform, die bekanntlich maßgeblich in Deutschland wohnhafte Verbraucher anspricht. Wie der Beklagte selbst vorgetragen hat, verfügt eBay über solche Plattformen in allen maßgeblichen Staaten der EU, sodass der Werbende, der Verbraucher in anderen Staaten ansprechen will, dies auf der jeweils zugehörigen Plattform vornehmen wird, wozu er schon aufgrund der zwingenden Regeln des Verbrauchervertragsrechts faktisch gezwungen ist. Hieran dürfte sich auch dadurch nichts ändern, dass der Beklagte nach seinen Versandinformationen von seinem in Deutschland gelegenen Artikelstandort auch in andere Länder versendet, zumal sich die angebotenen Spielwaren insbesondere auch als Geschenk eignen.
Landgericht Karlsruhe, Urteil vom 16. Dezember 2011 – 14 O 27/11 KfH III