Der Betreiber einer Internetsuchmaschine ist bezüglich der angezeigten Suchergebnisse auch dann Verantwortlicher im Sinne des Art. 4 Nr. 7 DSGVO, wenn er den Nutzern lediglich den Zugang zu der Suchmaschine anbietet und die von einer anderen Konzerngesellschaft aufbereiteten Suchergebnisse lediglich anzeigt.

In Fällen, in denen ein Betroffener vom Betreiber einer Internetsuchmaschine die Auslistung bestimmter Ergebnislinks verlangt, ist das in Art. 17 Abs. 1 DSGVO niedergelegte Recht auf Löschung schon aufgrund der für den Betroffenen letztlich unwägbaren und zudem stetem Entwicklungsfortschritt unterworfenen technischen Voraussetzungen der beanstandeten Datenverarbeitung nicht auf das schlichte Löschen von Daten zu verengen, sondern es umfasst unabhängig von der technischen Umsetzung auch das Begehren, eine erneute Listung zu unterlassen[1].
Die Haftung der Google Ireland Limited ist nicht subsidiär gegenüber der Haftung derjenigen Personen, die für die Veröffentlichung des Artikels vom 00.00.2019 unmittelbar verantwortlich sind[2].
Im hier vom Oberlandesgericht Köln entschiedenen Fall enthält der auf den Internetseiten, auf die in den Suchergebnissen verwiesen wird, veröffentlichte Artikel aus dem Jahr 2019 unstreitig den Kläger betreffende personenbezogene Daten (Art. 4 Nr. 1 DSGVO).
Entgegen der Auffassung des erstinstanzlich mit dem vorliegenden Fall befassten Landgerichts Köln[3] ist die Google Ireland Limited Verantwortlicher. Verantwortlicher ist nach Art. 4 Nr. 7 DSGVO die natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet.
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, von der auch das Landgericht ausgegangen ist, soll durch die weite Definition des Ausdrucks „Verantwortlicher“ ein wirksamer und umfassender Schutz der betroffenen Person gewährleistet werden[4]. Die Tätigkeit einer Suchmaschine, die darin besteht, von Dritten ins Internet gestellte oder dort veröffentlichte Informationen zu finden, automatisch zu indexieren, vorübergehend zu speichern und schließlich den Internetnutzern in einer bestimmten Rangfolge zur Verfügung zu stellen, ist, sofern die Informationen personenbezogene Daten enthalten, als Verarbeitung personenbezogener Daten im Sinne von Art. 4 Nummern 1 und 2 DSGVO einzustufen. Ferner ist der Betreiber einer solchen Suchmaschine als für diese Verarbeitung Verantwortlicher im Sinne von Art. 4 Nr. 7 DSGVO anzusehen[5]. Vorliegend ist unstreitig, dass die Google Ireland Limited in Deutschland und anderen europäischen Ländern Betreiberin der Google-Suchmaschine ist[6].
Unerheblich ist es, dass die Google Ireland Limited nach ihrem Vortrag lediglich den Zugang zu der Suchmaschine anbietet, während die Entscheidungen darüber, wie auf eine Suchanfrage reagiert wird und wie die relevanten Suchergebnisse angezeigt werden, nicht von ihr, sondern der Google LLC getroffen werden. Bei seiner abweichenden Würdigung hat das Landgericht ebenso wie die Landgerichte Rostock und Mosbach in ihren von der Google Ireland Limited als Anlage BB 1 vorgelegten Entscheidungen[7] nicht berücksichtigt, dass nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs bereits die Anzeige personenbezogener Daten auf einer Seite mit Suchergebnissen eine Verarbeitung dieser Daten darstellt[8]. Indem die Google Ireland Limited – wie von ihr selbst vorgetragen – den deutschen Internetnutzern den Zugang zur Google-Suchmaschine anbietet, stellt sie den Nutzern die von ihrer Muttergesellschaft aufbereiteten Suchergebnisse bereit und führt damit, soweit personenbezogene Daten in Rede stehen (Art. 4 Nr. 1 DSGVO), eine Datenverarbeitung im Sinne von Art. 4 Nr. 2 DSGVO aus[9]. Dass die Google Ireland Limited sich die Inhalte der verlinkten Internetseiten zu eigen macht, ist dafür nicht erforderlich, weshalb die entsprechenden Erwägungen des Landgerichts dahinstehen können.
Ebenfalls unerheblich ist es, dass in der auf der Seite google.com veröffentlichten Datenschutzerklärung die US-amerikanische Google LLC als zuständige Datenverantwortliche benannt ist. Denn nach den insoweit zutreffenden Ausführungen des Landgerichts kann die Google Ireland Limited sich nicht durch eine Datenschutzerklärung von ihrer aus den tatsächlichen Umständen folgenden Verantwortlichkeit befreien.
Soweit das Berliner Kammergericht in einem von der Google Ireland Limited vorgelegten Hinweisbeschluss[10] eine Verantwortlichkeit der Google Ireland Limited letztlich allein mit der Erwägung verneint hat, der Bundesgerichtshof[11] habe ausgeführt, dass im Zusammenhang mit der Tätigkeit der Suchmaschine Google die Google LLC Verantwortliche im Sinne des Art. 4 Nr. 7 DSGVO sei, überzeugt dies nicht. Denn eine Verantwortlichkeit der Google LLC schließt es, wie auch die Vorschrift des § 26 DSGVO zeigt, nicht aus, dass daneben auch die Google Ireland Limited Verantwortlicher im Sinne des Art. 4 Nr. 7 DSGVO ist[12].
Die personenbezogenen Daten des Klägers werden unrechtmäßig verarbeitet (Art. 17 Abs. 1 Buchstabe d DSGVO) und die Verarbeitung ist nicht erforderlich zur Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Information (Art. 17 Abs. 3 Buchstabe a DSGVO). Die insoweit gebotene Gesamtabwägung der widerstreitenden Grundrechte, nämlich der Grundrechte des Klägers auf Achtung des Privatlebens (Art. 7 GRCh) und auf Schutz personenbezogener Daten (Art. 8 GRCh) sowie des Rechts der Google Ireland Limited auf unternehmerische Freiheit (Art. 16 GRCh), des Rechts der Inhalteanbieter auf Meinungsfreiheit (Art. 11 GRCh) und der Informationsinteressen der Nutzer[13] geht zugunsten des Klägers aus. Denn der Artikel aus dem Jahr 2019 enthält zumindest eine für das Gesamtverständnis des Artikels bedeutsame Information, die tatsächlich unwahr ist und die der Kläger nicht hinnehmen muss[14].
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs obliegt der Person, die wegen der Unrichtigkeit eines aufgelisteten Inhalts die Auslistung begehrt, der Nachweis, dass die in diesem Inhalt enthaltenen Informationen offensichtlich unrichtig sind oder zumindest ein für diesen gesamten Inhalt nicht unbedeutender Teil dieser Informationen offensichtlich unrichtig ist. Damit dieser Person jedoch keine übermäßige Belastung auferlegt wird, die die praktische Wirksamkeit des Rechts auf Auslistung beeinträchtigen könnte, hat sie lediglich die Nachweise beizubringen, die unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls von ihr vernünftigerweise verlangt werden können, um diese offensichtliche Unrichtigkeit festzustellen[15].
Der Betreiber der Suchmaschine ist im Rahmen der Prüfung der Anwendungsvoraussetzungen von Art. 17 Abs. 3 Buchstabe a DSGVO nicht verpflichtet, bei der Suche nach Tatsachen, die von dem Auslistungsantrag nicht gestützt werden, aktiv mitzuwirken, um festzustellen, ob dieser Antrag stichhaltig ist. Daher ist der Betreiber der Suchmaschine bei der Bearbeitung eines solchen Antrags nicht verpflichtet, den Sachverhalt zu ermitteln und hierfür mit dem Inhalteanbieter einen kontradiktorischen Schriftwechsel zu führen, der darauf gerichtet ist, fehlende Angaben zur Richtigkeit des aufgelisteten Inhalts zu erlangen. Denn da eine solche Verpflichtung den Betreiber der Suchmaschine dazu zwingen würde, selbst einen Beitrag zum Nachweis der Richtigkeit oder Unrichtigkeit des aufgelisteten Inhalts zu erbringen, würde sie zu einer Belastung dieses Betreibers führen, die über das hinausginge, was von ihm im Hinblick auf seinen Verantwortungsbereich, seine Befugnisse und seine Möglichkeiten vernünftigerweise erwartet werden kann[16].
Folglich ist der Betreiber der Suchmaschine, wenn die eine Auslistung begehrende Person relevante und hinreichende Nachweise vorlegt, die ihren Antrag zu stützen vermögen und belegen, dass die in dem aufgelisteten Inhalt enthaltenen Informationen offensichtlich unrichtig sind oder zumindest ein für diesen gesamten Inhalt nicht unbedeutender Teil dieser Informationen offensichtlich unrichtig ist, verpflichtet, diesem Auslistungsantrag stattzugeben[17].
Wenn die fraglichen Informationen zu einer Debatte von allgemeinem Interesse beitragen können, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls dem Recht auf freie Meinungsäußerung und Information besondere Bedeutung beizumessen. Zudem wäre eine Auslistung von Artikeln mit der Folge, dass es schwierig würde, im Internet Zugang zu der Gesamtheit dieser Artikel zu haben, auch dann unverhältnismäßig, wenn sich nur bestimmte Informationen, die im Hinblick auf den gesamten Inhalt dieser Artikel von untergeordneter Bedeutung sind, als unrichtig erweisen[18].
Des Weiteren fällt entgegen der Auffassung der Google Ireland Limited die Abwägung nicht deshalb zu ihren Gunsten aus, weil dem Kläger die erfolgreiche Inanspruchnahme derjenigen Personen, die für die Veröffentlichung des Artikels vom 00.00.2019 unmittelbar verantwortlich sind, möglich und – ohne erhebliche Maßnahmen und Zeitaufwand – zumutbar wäre. Die für diesen – möglichen – Einwand darlegungs- und beweisbelastete Google Ireland Limited[19] hat hierzu jedenfalls nicht ausreichend vorgetragen. Nach dem unwiderlegten Vortrag des Klägers war ihm eine Inanspruchnahme anderer Verantwortlicher nicht zuzumuten, weil die hinter den beiden fraglichen Internetseiten stehende „Antifaschistische Aktion“ und die für sie handelnden Personen nicht greifbar und die Registrare der beiden Domains im Ausland ansässig sind.
Entgegen der Auffassung der Google Ireland Limited steht es dem Auslistungsbegehren des Klägers schließlich auch nicht entgegen, dass die Google Ireland Limited den Artikel aus dem Jahr 2019 dem Antrag des Klägers zufolge nicht schon bei bloßer Eingabe des Namens des Klägers[20], sondern nur bei zusätzlicher Eingabe weiterer – im Antrag wiedergegebener – Suchbegriffe nicht anzeigen soll. Der Kläger hat insoweit zu Recht geltend gemacht, dass allein aufgrund der Eingabe der weiteren Suchbegriffe nicht davon ausgegangen werden kann, dass der jeweilige Nutzer den rechtswidrigen Drittinhalt bereits kennt und gezielt nach ihm sucht.
Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 4. Juli 2024 – 15 U 60/23
- vgl. BGH, Beschluss vom 26.09.2023 – VI ZR 97/22, GRUR 2023, 2472 Rn.20 mwN[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 03.05.2022 – VI ZR 832/20, GRUR 2022, 1009 Rn. 12; vgl. auch EuGH, Urteil vom 08.12.2022 – C-460/20, GRUR 2023, 184[↩]
- LG Köln, Urteil vom 22.03.2023 – 28 O 157/21[↩]
- vgl. EuGH, Urteil vom 11.01.2024 – C-231/22, NJW 2024, 641 Rn. 28[↩]
- vgl. EuGH, Urteil vom 08.12.2022 – C-460/20, GRUR 2023, 184 Rn. 49 mwN[↩]
- vgl. auch LG München, Urteil vom 22.03.2023 – 26 O 1037/21, MMR 2023, 602 Rn. 29[↩]
- LG Rostock, Urteil vom 24.05.2023 – 3 O 95/22; LG Mosbach Urteil im Verfahren 2 O 86/24[↩]
- vgl. EuGH, Urteil vom 13.05.2014 – C-131/12, GRUR 2014, 895 Rn. 57; zu einer Veröffentlichung auch EuGH, Urteil vom 11.01.2024 – C-231/22, NJW 2024, 641 Rn. 28[↩]
- vgl. EuGH, Urteil vom 13.05.2014 – C-131/12, GRUR 2014, 895 Rn. 28; LG Heidelberg, Urteil vom 31.03.2023 – 6 S 1/22 32[↩]
- KG, Beschluss vom 04.02.2022 – 10 W 1024/20[↩]
- BGH, Urteil vom 27.07.2020 – VI ZR 405/18, BGHZ 226, 285 Rn. 13[↩]
- vgl. LG München, Urteil vom 22.03.2023 – 26 O 1037/21, MMR 2023, 602 Rn. 29; LG Heidelberg, Urteil vom 31.03.2023 – 6 S 1/22 32[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 27.07.2020 – VI ZR 405/18, BGHZ 226, 285 Rn.20 ff.; vom 03.05.2022 – VI ZR 832/20, GRUR 2022, 1009 Rn. 14 ff.[↩]
- vgl. EuGH, Urteil vom 08.12.2022 – C-460/20, GRUR 2023, 184 Rn. 65; BGH, Beschluss vom 27.07.2020 – VI ZR 476/18, GRUR 2020, 1338 Rn. 24; Urteil vom 23.05.2023 – VI ZR 476/18, BGHZ 237, 137 Rn. 32[↩]
- vgl. EuGH, Urteil vom 08.12.2022 – C-460/20, GRUR 2023, 184 Rn. 68; BGH, Urteil vom 23.05.2023 – VI ZR 476/18, BGHZ 237, 137 Rn. 33 f.[↩]
- vgl. EuGH, Urteil vom 08.12.2022 – C-460/20, GRUR 2023, 184 Rn. 70 f.[↩]
- vgl. EuGH, Urteil vom 08.12.2022 – C-460/20, GRUR 2023, 184 Rn. 72[↩]
- vgl. EuGH, Urteil vom 08.12.2022 – C-460/20, GRUR 2023, 184 Rn. 73 f.[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 03.05.2022 – VI ZR 832/20, GRUR 2022, 1009 Rn. 56[↩]
- vgl. dazu EuGH, Urteil vom 13.05.2014 – C-131/12, GRUR 2014, 895 Rn. 80[↩]