Die Facebook-Geschäftsbedingungen[1] zur Löschung von Nutzerbeiträgen und Kontensperrung bei Verstößen gegen die in den Bedingungen festgelegten Kommunikationsstandards sind nach einer aktuellen Entscheidung des Bundesgerichtshofs unwirksam.

Dies gilt nach Ansicht des Bundesgerichtshofs jedenfalls, weil sich Facebook nicht gleichzeitig dazu verpflichtet,
- den Nutzer über die Entfernung seines Beitrags zumindest nachträglich und
- über eine beabsichtigte Sperrung seines Nutzerkontos vorab zu informieren,
- ihm den Grund dafür mitzuteilen und
- eine Möglichkeit zur Gegenäußerung mit anschließender Neubescheidung einzuräumen.
Wurde aufgrund der unwirksamen Geschäftsbedingungen der Beitrag eines Nutzers gelöscht und dessen Konto vorübergehend mit einer Teilsperrung belegt, hat der Nutzer einen Anspruch auf Freischaltung des gelöschten Beitrags und gegebenenfalls auch auf Unterlassung einer erneuten Kontosperrung und Löschung des Beitrags bei dessen erneuter Einstellung.
In den beiden aktuell vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall wurde über die Rechtmäßigkeit einer vorübergehenden Teilsperrung der Facebook-Benutzerkonten der klagenden Nutzer und der Löschung ihrer Kommentare durch Facebook gestritten. Die Facebook-Nutzer
unterhalten jeweils ein Nutzerkonto für ein von der Muttergesellschaft Facebooks betriebenes weltweites soziales Netzwerk, dessen Anbieterin und Vertragspartnerin für Nutzer mit Sitz in Deutschland Facebook ist. Sie nehmen Facebook – soweit für die Revisionsverfahren noch von Bedeutung – auf Freischaltung der von ihnen in dem Netzwerk veröffentlichten und von Facebooks gelöschten Beiträge, auf Unterlassung einer erneuten Sperre ihrer Nutzerkonten und Löschung ihrer Beiträge sowie – in einem der Revisionsverfahren – auf Auskunft über ein mit der Durchführung der Kontosperre beauftragtes Unternehmen in Anspruch.
Nach den Nutzungsbedingungen des Netzwerks in der seit dem 19. April 2018 geltenden Fassung darf nicht gegen die „Gemeinschaftsstandards“ verstoßen werden. Diese verbieten eine – dort näher definierte – „Hassrede“. Im ersten Fall[2] stellte die Facebook-Nutzerin folgenden Beitrag ein:
„Schon der Wahnsinn, kann mich nicht an ein Attentat erinnern, das sog. Reichsbürger verübt haben. Im Gegensatz dazu dann die Morde von islamischen Einwanderern, die man zwar beobachtet hat, aber nichts dazu machen konnte. Deutsche Menschen werden kriminalisiert, weil sie eben eine andere Ansicht von ihrem Heimatland haben als das Regime. Migranten können hier morden und vergewaltigen und keinen interessiert’s! Da würde ich mir mal ein Durchgreifen des Verfassungsschutzes wünschen.“
Im zweiten Verfahren[3] kommentierte der Facebook-Nutzer den Beitrag eines Dritten, der ein Video beinhaltet, in dem eine Person mit Migrationshintergrund es ablehnt, von einer Polizistin kontrolliert zu werden, wie folgt:
„Was suchen diese Leute hier in unserem Rechtsstaat … kein Respekt … keine Achtung unserer Gesetze … keine Achtung gegenüber Frauen … DIE WERDEN SICH HIER NIE INTEGRIEREN UND WERDEN AUF EWIG DEM STEUERZAHLER AUF DER TASCHE LIEGEN … DIESE GOLDSTÜCKE KÖNNEN NUR EINES MORDEN … KLAUEN … RANDALIEREN … UND GANZ WICHTIG … NIE ARBEITEN.“
Facebook löschte diese Äußerungen im August 2018, da sie gegen das Verbot der „Hassrede“ verstießen. Sie sperrte vorübergehend die Nutzerkonten, so dass die Facebook-Nutzer in dieser Zeit nichts posten, nichts kommentieren und auch die Messenger-Funktion nicht nutzen konnten. Mit ihren Klagen machen die beiden Facebook-Nutzer geltend, Facebook sei nicht berechtigt gewesen, ihre Beiträge zu löschen und ihre Nutzerkonten zu sperren.
Im ersten Verfahren[4] hat das erstinstanzlich hiermit befasste Landgericht Nürnberg-Fürth die Klage abgewiesen[5]. Das Oberlandesgericht Nürnberg hat die hiergegen gerichtete Berufung der Facebook-Nutzerin zurückgewiesen[6].
Im zweiten Verfahren[3] hat das Landgericht Regensburg Facebook dazu verurteilt, es zu unterlassen, den Facebook-Nutzer für das Einstellen des Textes: „Was suchen diese Leute in unserem Rechtsstaat – kein Respekt – keine Achtung unserer Gesetze – keine Achtung gegenüber Frauen. Die werden sich hier nie integrieren und werden auf ewig dem Steuerzahler auf der Tasche liegen.“ erneut zu sperren oder den Beitrag zu löschen, wenn sich der Beitrag auf Personen bezieht, die sich der Anweisung einer Polizistin mit dem Argument widersetzen, dass sie sich von einer Frau nichts sagen ließen, und im Übrigen die Klage abgewiesen[7]. Während die gegen die teilweise Klageabweisung gerichtete Berufung des Facebook-Nutzers vor dem Oberlandesgericht Nürnberg keinen Erfolg hatte, hat das OLG auf die Berufung von Facebook das Urteil des Landgerichts Regensburg abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen[8].
Mit den vom Oberlandesgericht Nürnberg in seinen Berufungsurteilen – beschränkt – zugelassenen Revisionen verfolgen die Facebook-Nutzer ihr Begehren auf Freischaltung der gelöschten Beiträge, auf Unterlassung einer erneuten Kontosperre und Löschung der Beiträge sowie – im zweiten Verfahren[3] – auf Auskunft über ein mit der Durchführung der Kontosperre beauftragtes Unternehmen weiter. Der Bundesgerichtshof hat nun die Berufungsurteil des Oberlandesgerichts Nürnberg teilweise aufgehoben und – im zweiten Verfahren[3] unter Zurückweisung der Revision im Übrigen – Facebook verurteilt, die von ihr gelöschten Beiträge der beiden Nutzer wieder freizuschalten. Darüber hinaus hat er im ersten Verfahren[4] Facebook verurteilt, es zu unterlassen, die Facebook-Nutzerin für das Einstellen ihres Beitrags erneut zu sperren oder den Beitrag zu löschen.
Facebook war nicht aufgrund ihrer Nutzungsbestimmungen und Gemeinschaftsstandards zur Löschung der Beiträge der Facebook-Nutzer und Sperrung ihrer Nutzerkonten berechtigt. Zwar wurden die geänderten Nutzungsbedingungen Facebooks in der Fassung vom 19. April 2018 wirksam in das Vertragsverhältnis der Parteien dadurch einbezogen, dass die Facebook-Nutzer auf die ihnen in Form eines Pop-up-Fensters zugegangene Mitteilung Facebooks über die beabsichtigte Änderung die entsprechende, mit „Ich stimme zu“ bezeichnete Schaltfläche anklickten. Die in den geänderten Nutzungsbedingungen Facebooks eingeräumten Vorbehalte betreffend die Entfernung von Nutzerbeiträgen und die Sperrung von Nutzerkonten sind jedoch gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, weil dadurch die Nutzer des Netzwerks entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt werden.
Bei der Prüfung, ob eine Klausel unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist, bedarf es einer umfassenden Würdigung und Abwägung der wechselseitigen Interessen. Dabei sind vorliegend die kollidierenden Grundrechte der Parteien – auf Seiten der Nutzer die Meinungsäußerungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, auf Seiten Facebooks vor allem die Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG – zu erfassen und nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz so in Ausgleich zu bringen, dass sie für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden. Diese Abwägung ergibt, dass Facebook grundsätzlich berechtigt ist, den Nutzern ihres Netzwerks die Einhaltung bestimmter Kommunikationsstandards vorzugeben, die über die strafrechtlichen Vorgaben (z.B. Beleidigung, Verleumdung oder Volksverhetzung) hinausgehen. Sie darf sich das Recht vorbehalten, bei Verstoß gegen die Kommunikationsstandards Beiträge zu entfernen und das betreffende Nutzerkonto zu sperren. Für einen interessengerechten Ausgleich der kollidierenden Grundrechte und damit die Wahrung der Angemessenheit im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist jedoch erforderlich, dass sich Facebook in ihren Geschäftsbedingungen verpflichtet, den betreffenden Nutzer über die Entfernung eines Beitrags zumindest nachträglich und über eine beabsichtigte Sperrung seines Nutzerkontos vorab zu informieren, ihm den Grund dafür mitzuteilen und eine Möglichkeit zur Gegenäußerung einzuräumen, an die sich eine Neubescheidung anschließt.
Diesen Anforderungen werden die Entfernungs- und Sperrungsvorbehalte in den Geschäftsbedingungen Facebooks nicht gerecht. Facebook war daher nicht berechtigt, die Beiträge der Facebook-Nutzer zu löschen und ihre Nutzerkonten zu sperren. Sie muss die Beiträge wiederherstellen und hat eine Sperrung der Nutzerkonten und Löschung der Beiträge bei deren erneuter Einstellung zu unterlassen. Der entsprechende Unterlassungsantrag des Facebook-Nutzers scheiterte im Verfahren III ZR 192/20 indes an den Besonderheiten des dortigen Prozessverlaufs.
Bundesgerichtshof, Urteile vom 29. Juli 2021 – III ZR 179/20 und III ZR 192/20
- Stand vom 19.04.2018[↩]
- BGH – II ZR 179/20[↩]
- BGH – III ZR 192/20[↩][↩][↩][↩]
- BGH – III ZR 179/20[↩][↩]
- LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 14.10.2019 – 11 O 7080/18[↩]
- OLG Nürnberg, Urteil vom 04.08.2020 – 3 U 4039/19[↩]
- LG Regensburg, urteil vom 27.08.2019 – 72 O 1943/18 KOIN[↩]
- OLG Nürnberg, Urteil vom 04.08.2020 – 3 U 3641/19[↩]